von Pfarrer Uwe Hermann
Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Landrat Weinert, Herr Verbandsgemeindebürgermeister Daum, die Herren Bürgermeister, lieber Michael, liebe Homberger!
Geschichte, dass sind doch wohl vor allem Zahlen, Fakten, Daten. So halte ich es zum Beispiel für sehr bemerkenswert, wie sich der Name des Dorfes Homberg entwickelt hat.
1440 van me Hoenberge (Wi 170 Urk.)
1441 Hoymberg (Wi 170 Urk.)
1476 Hoembergh (Wi 170 Urk.)
1534 Homberg (Wi 171/ Z 4078)
Stopp: Hat da etwa jemand gegähnt?
Geschichte ist nun mal langweilig. Es ist eine ernsthafte Sache! Das lässt sich nun mal nicht ändern! Oder? Vielleicht ja doch, lassen Sie es mich mal versuchen. Also beginnen wir noch mal von vorn!
Guten Abend!
Ich grüße Sie mit dem etwas abgewandelten Westerwälder Gruß: Huj Homricher?
Allemol!
Liebe Festgäste, oft wird behauptet die kleinen Dörfer des Westerwaldes hätten geschichtlich nicht viel zu bieten. Auch viele Homberger selbst waren der Meinung, dass es doch nichts zu erzählen gäbe. Wer Geschichte nur "wissenschaftlich" betrachtet – was natürlich auch sein Recht hat – und auf die großen weltgeschichtlichen Ereignisse schaut, der wird an Homberg sicher vorbei gehen. Wer aber lebendige Geschichte sucht, der wird in Homberg fündig.
Was soll an so einem Abend aus der reichen Geschichte Hombergs genannt werden? Wie soll ich auswählen?
Ich kann aus meiner Haut nicht heraus. Ich bin nun mal mit Leib und Seele Perner (Pfarrer)! Also habe ich mich entschieden keinen Gang an den Jahreszahlen entlang zu gehen, sondern einzelne Abschnitte herauszugreifen, die das Leben der Menschen ausmachen.
Was ist das?
Schwere Zeiten, Nachbarschaft (gemeinsames Leben, auch mal mit Streit verbunden), Arbeit und Schule, Glaube und Kirche, Freud und Leid. Und natürlich gehört auch das Feiern zum Leben.
Für mich ist Geschichte das Leben der Menschen. Wer hat hier gelebt, wie ist es den Menschen ergangen, worüber haben sie sich gefreut, was hat sie belastet? Über solche Dinge hat jeder Mensch – ob vor Jahrhunderten oder heute – unendlich viel zu berichten.
Ein erstes Beispiel für eine etwas andere Betrachtung von Geschichte:
Der Anlass für diese Feier! Ist mit dem Satz: "Die urkundliche Ersterwähnung Hombergs erfolgte in einer Urkunde vom 29. März 1256" schon alles darüber gesagt?
Bei weitem nicht!
Experiment: Schließen Sie einmal kurz die Augen! Erinnern Sie sich an einen schönen Ritterfilm, den Sie einmal gesehen haben. Und jetzt stellen Sie sich vor, dass ungefähr 15 Männer in mittelalterlichen Gewändern in einem Raum um einen großen eichenen Tisch sitzen. Die Wände sind mit Wandteppichen behangen, auf denen Jagdszenen zu sehen sind. Der Raum wird erleuchtet von vielen Kerzen. In einer Ecke des Raumes sitzt ein Schreiber an einem Extratisch mit Feder und Tinte. An der Kopfseite des Tisches sitzen zwei Männer, denen man ansieht, dass sie das Kommandieren gewohnt sind. (Etwa so, wie heute Landrat Weinert und Bürgermeister Daum)
Es sind die Brüder Siegfried und Widekind, Grafen von Wittgenstein und Battenberg. Siegfried sagt: "Nun, ihr Herren! Wir sind uns einig! Die Güter, die meinem Bruder und mir gehören, in den Ortschaften Leidenhecke und Homberg auf dem Westerwald werden mit allen Rechten und Pflichten an das Kloster der Zisterziensernonnen in Kreuzberg übertragen."
Alle anderen nicken. Unter ihnen unter anderem der Pfarrer Konrad aus Biedenkopf – ein besonnener und ernsthafter Mann – und der Ritter Konrad aus Erndtebrück, der sich niemals von seinem glänzenden Schwert trennen würde. Auch jetzt liegt seine Hand auf dem Schwertgriff.
Schließlich sagt Widekind: "Schreiber! Ist er soweit!" Der Schreiber legt die Feder aus der Hand, senkt den Kopf und sagt: "Jawohl Herr! Die Urkunde kann unterzeichnet werden." Und schon kurze Zeit später haben zehn der hohen Herren das Dokument unterzeichnet.
So oder ähnlich mag es sich zugetragen haben. – Sie können übrigens die Augen wieder öffnen! Auch der OB von Homberg! Hej Micha, net schlofe!
Huj Homricher?
Allemol!
Krieg und Krankheit
Ich möchte Ihnen einen Homberger vorstellen: Adam Reinhard. Wir schreiben das Jahr 1637, mitten im 30jährigen Krieg. Was waren das für Zeiten. Noch vor einem halben Jahrhundert waren in Homberg neun Häuser bewohnt mit etwa 70 – 80 Einwohnern und einer kaum überschaubaren Anzahl von Vieh (Pferde, Kühe und Ochsen, Schafe, Hühner …). Nach zwanzig Jahren Krieg war davon kaum noch etwas übrig. Adam Reinhard war der letzte erwachsene Mann im Dorf. Viele andere waren im Krieg, an Krankheiten gestorben oder vor dem Krieg geflohen. Nur noch wenige Frauen und Kinder hielten mit ihm die Stellung.
Das Leben war schon immer nicht leicht gewesen. Wenn der Boden und die Witterung nicht mitspielten, dann war nicht einmal genug Hafer und Gerste vorhanden um ausreichend Brot zu backen. Es fehlte an Geld und Baumaterialen um die Häuser in Schuss zu halten, Abgaben drückten schwer und so verschuldeten sich viele Bauern. So manche Krankheit, auch die Pest, forderte ihre Opfer.
Aber nun hatte der Krieg noch alles übertroffen.
Um der ärgsten Not abzuhelfen, stiftete die Herzogin Sophie Hedwig von Braunschweig-Lüneburg, die zugleich auch Gräfin von Nassau-Katzenelnbogen und Diez war, einen Betrag von 500 Talern. Diese Summe wurde im Oktober 1637 im Gebiet der Herrschaft Beilstein verteilt. In Homberg war einziger Empfänger: Adam Reinhard. Er erhielt 2 ½ Taler und 2 Albus. Es war sicher nicht genug um ein sorgloses Leben zu gewährleisten, aber dennoch war es gewiss ein Festtag für Adam Reinhard und die verbliebenen Homberger.
Etwa hundert Jahre nach dem persönlichen Festtag von Adam Reinhard möchte ich Sie gerne nach Holland entführen. Warum?
Die Zeiten blieben unruhig, auch die Oranien-Nassauischen Länder und Fürsten waren immer wieder in Konflikte verstrickt, deshalb wurden auch immer wieder Soldaten gebraucht. Auch aus Homberg verdingte sich der ein oder andere im Kriegsdienst.
So war zum Beispiel 1745 Johannes Türk aus Homberg als Soldat in Breda stationiert. Er muss wohl einige Zeit hier Dienst getan haben, denn ihm und seiner Frau wurde dort ein Kind geboren, das auch in Breda getauft wurde. Was mag Johannes Türk wohl empfunden haben, wenn er auf Wache stand und die Gedanken in die Heimat im Hohen Westerwald wanderten. Hatte er Heimweh oder war er froh, dem harten Leben in der Landwirtschaft entronnen zu sein? Vielleicht hat er aber auch an die Menschen in Homberg gedacht, mit denen er aufgewachsen war, Angehörige, Nachbarn.
Nachbarschaft
Die Gemeinschaft im Dorf und auch mit den benachbarten Gemeinden – besonders Emmerichenhain als Kirchspielsdorf und Waigandshain und Rehe – sind immer wichtige Dinge im Leben gewesen. Gut, dass das in Homberg heute noch eine große Rolle spielt und die Dorfgemeinschaft gepflegt wird. Wenn Not am Mann war wurde im Ort und auch ortsübergreifend geholfen.
Dennoch gehört es auch zum Leben, dass es auch mal Streit gibt. Nicht immer ist man sich einig.
Auch mit den Nachbarn in Emmerichenhain, Waigandshain und Rehe gab es schon mal Zwist. Ein spezielles Beispiel ist der Streit mit der Gemeinde Rehe um die Waldnutzung. Und das kam so:
Um das Jahr 1700 herum erkannte man, dass der Wald einen besonderen Schutz brauchte. Man brauchte Bau- und Feuerholz und außerdem schützte der Wald vor einer Auszehrung der Wiesen und Felder. Als Problem erwies sich das Vieh zum Weiden in den Wald zu treiben.
Es war damals üblich, sowohl Großvieh als auch Schweine in die Wälder einzutreiben, um die Tiere mit dem, was der Wald zu bieten hatte (z. B. Gras, Strauchwerk, Eicheln, Bucheckern, Pilze) zu füttern.
An der Grenze zwischen Rehe und Homberg gab es einige Waldungen, die teilweise gemeinsam genutzt wurden, beziehungsweise einer Gemeinde gehörten und von der anderen genutzt wurden. Am 17. Oktober 1726 schlossen beide Gemeinden einen Vertrag über den Austausch von Waldstücken. 50 Jahre lang herrschte Frieden zwischen Rehe und Homberg, doch dann!!!!
Naja, ein bisschen Spannung muss sein: Ich stelle Ihnen erst einmal noch einen Homberger vor:
Amtsjäger Johann Daniel Haas. Im Auftrag des Fürsten kümmerte er sich um Waldungen und Wild in Homberg. Im Jahre 1783 hatte er eine tolle, ja geradezu moderne Idee. Zwischen dem Reher Wald Streiterten und dem Homberger Geheg errichtete er eine Mauer aus Feldsteinen und Gras. Damit das Vieh nicht mehr in den Wald eingetrieben werden konnte. So legte er eine Schonung an und dachte wohl, damit "seinen" Wald auf Dauer geschützt zu haben. Doch weit gefehlt: Die Reher machten ihm einen Strich durch die Rechnung! Sie rissen die Mauer einfach wieder ein!
Schon damals war es hilfreich, wenn man gute Beziehungen hatte! Also Zeit einen weiteren Homberger Sohn einzuführen. Johann Daniel Haas hatte einen Bruder Johann Jakob Haas und wie der Zufall so spielt war der zugleich der Oberförster. Johann Daniel ging also zu Johann Jakob und schwärzte die Reher an. Eine solche Ungeheuerlichkeit kann man sich ja nicht bieten lassen. Und tatsächlich: die Reher wurden zum Wiederaufbau der Mauer verpflichtet, kamen dem aber nicht nach. Die ganze Sache ging vor Gericht und dann in Berufung und der Instanzenweg war schon damals sehr lang.
Irgendwann verlies die Homberger die Geduld. Johann Daniel Haas lies die Mauer wieder aufbauen. Und was glauben Sie, was geschah? Gehen heute nicht Homberger und Reher Kinder in denselben Kindergarten? Jedenfalls kommt man sich vor wie im Kindergarten: Die Reher rissen die Mauer wieder ab. Das hätte gut und gerne noch einige Jahre so weitergehen können.
Schließlich setzte sich aber die Vernunft durch – man musste doch auf gute Nachbarschaft bedacht sein. 1785 wurde man sich einig. Die Rechts- und Besitzverhältnisse entlang der Grenze wurden ein für allemal geklärt und es kehrte wieder Frieden ein.
Dieser Friede währte gut 200 Jahre und wurde jäh von zwei Bürgermeistern und ihrem jeweiligen Gefolge zerstört. Der Grund dafür war wohl, dass sich Stahl und Gräb in den Geschichtsbüchern verewigen wollten. Das haben sie auch geschafft, diese Geschichte aber können Sie in der Festschrift nachlesen. Bleibt nur zu erwähnen, dass heute alles wieder in Ordnung ist zwischen den konkurrierenden Dörfern, nachdem OB Michael versprochen hat: "Eich will et net mie dou".
Hej Johannes, Bürjermaaster vo Rej, Huj Homricher. Allemol.
Den Streit mit Emmerichenhain um den Kirchweg in den 1780er Jahren und den Streit mit Waigandshain um eine gemeinsam genutzte Weide (Koppelhut) 10 Jahre vorher kann ich hier nur kurz erwähnen. Die Homberger sind halt ein streitbares Völkchen, das sich nicht so schnell was vormachen lässt – fast wie Asterix und Obelix.
Apropos: Sind eigentlich Koppelfreeser in Saal? (So wurden die Waigands-hainer von den Hombergern genannt).
Hej Ernst Theo Jung Bürjermaaster vo Wainhoa, hau owend sei mir doch all: Huj Homricher?
Allemol!
Arbeit
Ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil des Lebens ist doch wohl die Arbeit. Was haben die Menschen geschafft in den letzten 750 Jahren? Ich denke, es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass sicher drei viertel aller Homberger in den letzten Jahrhunderten von der Landwirtschaft gelebt haben. Heute kaum noch vorstellbar. Auf die Geschichte des Ackerbaus und der Viehzucht kann ich selbstverständlich heute Abend nicht eingehen, aber auf eine kleine, aber interessante Tatsache möchte ich Sie doch aufmerksam machen.
Dazu muss ich ihnen wieder einen alten Homberger Bürger vorstellen. Nicht nur Bürger, sondern Bürgermeister war Johann Adam Hahnenstein um das Jahr 1740 herum. Vielleicht tue ich ihm Unrecht, aber er scheint nicht gerade der fortschrittlichste Bürgermeister gewesen zu sein, hat er doch erfolgreich den ambitionierten Plan der Landesregierung verhindert in Homberg einen Fischweiher zu erbauen. Aber andererseits hat sich Johann Adam Hahnenstein wohl sehr für die Landwirtschaft in Homberg eingesetzt.
Ich stelle mir vor, wie er eines Tages bei seinem Nachbarn in den Garten schaut und ein ihm völlig unbekanntes Gewächs entdeckte. Eine niedrige grüne Pflanze, die in einem kleinen Beet wuchs. "Wat host dau da do?" fragte er. Die Antwort lautete: "Ei dot ist et Nauste vo Amerika!"
Wer will mal raten, was das war?
Der Nachbar zog an der Pflanze und es kamen aus der Erde dicke Knollen zum Vorschein. Ja! Zum ersten Mal in der Geschichte erblickten die Homberger eine Kartoffel. Johann Adam Hahnenstein war zuerst noch skeptisch. Aber im Laufe der Jahre, als immer mehr Homberger diesen letzten Schrei aus Amerika in ihren Gärten anpflanzten und gute Ernteerfolge erzielten, lies er sich überzeugen.
Einige Zeit nach diesen ersten Erfahrungen gaben die Hungerjahre nach der schlechten Heu- und Getreideernte des Jahres 1771 dann den Anstoß, die Kartoffel in größerem Ausmaß anzupflanzen als bisher. Bald erkannte man, dass die Kartoffel auch nach schlechten Sommern noch Erträge brachte, und in kurzer Zeit wurde sie zu einem allseits beliebten Nahrungsmittel für Mensch und Tier.
Kirche und Schule
Jahrhunderte lang war die Geschichte von Kirche und Schule eng miteinander verknüpft.
Es ist nicht bekannt, wann die Kapelle in Homberg erbaut wurde. Bestätigt ist nur, dass die Kapelle im Jahre 1570 bestand und sich damals in gutem Bauzustand befand.
Etwa um diese Zeit ist auch von der ersten so genannten Kirchspielschule in Emmerichenhain zu berichten. Besonders im Winter war aber der Weg für die Schulkinder recht beschwerlich. Außerdem gab es zu dieser Zeit vor allem in strengen Wintern in unserer Gegend Wölfe. Es ist verständlich, dass die Eltern damals sich Sorgen um ihre Kinder machten und deshalb der Gedanke an den Bau einer Schule in Homberg aufkam. Das dauerte aber noch seine Zeit.
Im Jahre 1622 wird berichtet, dass die Kapelle in Homberg schon seit 1600 baufällig und das Mauerwerk teilweise eingestürzt sei. In den Kriegsjahren bis 1648 wird sich daran gewiss nichts geändert, jedenfalls nichts gebessert haben. Auch in der Zeit des allmählichen Wiederauflebens nach 1650 war wohl nicht an eine Reparatur des Bauwerks zu denken. Inzwischen dürfte der Verfall weiter fortgeschritten sein. Nachdem der löbliche Vorsatz der Gemeinde Homberg, ein Schul- und Backhaus zu erbauen, wegen Mangel an Geldmitteln nicht zur Ausführung gebracht werden konnte, wollte man wenigstens das erreichen, was im Bereich des Möglichen lag. So kam es, dass die inzwischen zur Ruine gewordene ehemalige Kapelle zum Backhaus um-gebaut wurde. Dazu mussten die Außenmauern ausgebessert und die für eine Verwendung als Backhaus notwendigen Inneneinrichtungen geschaffen werden. Wahrscheinlich war auch ein neues Dach erforderlich. Die Herrichtung dieses Backhauses vollzog sich zwischen 1723 und etwa 1750. Wahrscheinlich waren mit diesem Bau die Geldmittel der Gemeinde für einige Zeit erschöpft.
Nun gab es keine Kapelle mehr und ein Schulhaus war noch immer nicht errichtet. Immerhin konnte man um 1750 einen Raum in einem Wohnhaus anmieten und so geregelten Schulunterricht anbieten.
Um 1778/80 erwarb die Gemeinde Homberg von dem damaligen Kirchenältesten Johannes Daniel Stahl in Homberg ein Haus, das nun als Schulhaus eingerichtet wurde. Als dieses Haus baufällig wurde, errichtete man an gleicher Stelle 1848/49 ein neues Schulhaus, das heutige DGH. Heute kommt auch wieder die Verbindung von Schule und Kirche zum Tragen. In diesem ehemaligen Schulhaus finden heute die Gottesdienste der evangelischen Kirchengemeinde statt.
Hej Michael Zopf, Perner vo Homrich, Huj Homricher. Allemol.
Leid
Der Glaube und die Kirche begleiten das Leben der Menschen von der Geburt bis zu Tod. In früheren Zeiten sind damit natürlich ganz besonders auch die schweren Zeiten im Leben verbunden. Es waren nicht immer die großen Ereignisse, die weltgeschichtlich oder auch nur für die Ortsgeschichte von Bedeutung sind, die den größten Einfluss auf die Menschen hatte. Ich habe eben schon versucht Ihren Blick immer wieder auf einzelne Menschen zu richten. Jetzt möchte ich Ihnen gerne noch einmal zwei Homberger vorstellen und Sie ein wenig an ihrem Schicksal teilhaben lassen. Man sagt immer, Geschichte werde von Männern gemacht. Das trifft aber nur teilweise und auch nur für die große Geschichte zu. Deshalb möchte ich ganz ausdrücklich Sie nun bekannt machen mit:
Maria Elisabeth Brecher. Sie war noch eine junge Frau, hatte aber bereits ihren Vater zu Grabe tragen müssen. 1640 heiratete sie den aus Emmeri-chenhain stammenden Hans Wilhelm Stahl.
Die jungen Leute lebten anfangs in recht schwierigen Verhältnissen. Sie hatten 1641 eine Kuh, zwei Kälber, ein Ferkel und eine Ackerfläche von einem Tagwerk eingesät. Das Land hatten sie mit dem Spaten umgegraben. Zudem lag auf ihrem Hof durch Erbteilung eine Schuldenlast von 13 Talern. Trotzdem haben sie wohl, wie nahezu alle jungen Menschen, voller Zuversicht auf ihre Zukunft geblickt. Sie scheinen fleißige Leute gewesen zu sein. 1643 besaßen sie bereits drei Kühe und einen Ochsen. 1646 wirtschafteten sie mit sechs Kühen und einem Pferd. Aber es kam, wie es kommen musste, im Herbst 1646 mussten sie drei Kühe abschaffen, weil das vorhandene Winterfutter nicht für alle Tiere ausreichte. Ein herber Rückschlag für die junge Familie.
Aber es kam noch schlimmer. Inzwischen hatten sich Kinder eingestellt. Eigentlich ja ein schönes Ereignis, allerdings starben einige Kinder von Maria Elisabeth und Hans Wilhelm. 1650 waren nur noch drei am Leben. 1660 war die Zahl der Kinder wieder auf sieben angestiegen. Es waren drei Söhne und vier Töchter. Im Ganzen hatte das Ehepaar mindestens zwölf Kinder, also sind mindestens fünf gestorben.
Hans Wilhelm Stahl und seine Frau sind wahrscheinlich bald nach 1680 gestorben. Daten darüber sind nicht bekannt.
Freud
Zum Glück gibt und gab es aber auch so manches Schöne und Freudige. Erstaunlich ist, wie die Menschen ihr Leben meisterten und bei allen Schicksalsschlägen immer wieder die Kraft zum Lachen und Feiern fanden.
Ein Beispiel aus dem letzten Jahrhundert: In der "schlechten Zeit" nach dem Weltkrieg musste man mit allem sehen, dass man klar kam. So wurde auch recycelt. Eine Hombergerin machte sich zum Beispiel aus einem Jutesack, in dem Kunstdünger gebracht worden war, eine Schürze. Der Werbedruck des Düngersacks war nach dem Umnähen aber so angebracht, dass vorne auf der Schürze stand "gesetzlich geschützt" und hinten war zu lesen "Kunstdünger"!
Oder ein Beispiel des Homberger Humors:
Ein Homberger Junge war bei Bremickers in Rehe beschäftigt. In der Pause unterhielt man sich über einen Mann, 45 Jahre alt, der eine 61-jährige Frau geheiratet hatte. Es wurde gefragt, was er denn mit einer so viel älteren Frau wolle.
Kurze Zeit später meinte der Junge: "Aus nem ahlen Gesangbuch ka mer ach schiene Lierer singe!"
Es gäbe noch viel zu berichten und hinter jeder noch so kleinen und un-scheinbaren historischen Nachricht steckt eine ganze Geschichte. Aber wir wollen ja auch noch feiern und nicht nur reden und zuhören. Deshalb zu Schluss:
Den Westerwäldern wird ja eine ganz spezielle Eigenart zugeschrieben, oft abgekürzt mit dem Wort: Basaltköpp. Schon 1645 beschreibt ein Besucher des Hohen Westerwalds die Wäller
"Gleich wie das Brot der Westerwälder rauh, also sind auch die Leut viel stärker und gröber als an den Orten, da sie sich reinen Korns und Brots gebrauchen, daher man denn auch einen rechten Westerwäller vor anderen leicht erkennen mag."
Nun gut! Es sei, wie es sei. Uns Wällern macht das nichts und es heißt ja immer: Hart aber herzlich. Deshalb bin ich mit dem Motto, das die Homberger dieser Veranstaltung gegeben haben sehr einverstanden: Mir sei mir!
All die Menschen, die über die Jahrhunderte hier gelebt, gearbeitet, geweint und gelacht haben, waren solche Westerwälder. Jeder und jede Einzelne unverwechselbar, einmalig. Und bitte vergessen Sie nicht: All diese Menschen, die ich heute Abend versucht habe vor ihrem geistigen Auge auferstehen zu lassen – ob die Grafen Siegfried und Widekind, der Amtsjäger Johann Daniel Haas und sein Bruder, der Bürgermeister Johann Adam Hahnenstein oder die Bürger Adam Reinhard, Maria Elisabeth Brecher und ihr Mann Hans Wilhelm Stahl – all diese Menschen sind einzelne Steine in dem Gewölbe, von dem Seneca sagt: "Wir sind geboren, um gemeinsam zu leben. Und unsere Gemeinschaft ähnelt einem Gewölbe, in dem die Steine einander am Fallen hindern."
Verlieren wir den Zusammenhang mit den vorangegangen Generationen, mit den Vätern und Müttern, dann verlieren wir auch unsere Zukunft.
Am liebsten würde ich darauf jetzt Amen sagen. Nun ja, die Macht der Gewohnheit.
Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Abend.